Rechtslage
Seit 2013 sind fünf freikirchliche Gemeindebünde, die im Dachverband Freikirchen in Österreich zusammengeschlossen sind, als Religionsgemeinschaft vom österreichischen Staat anerkannt.
Für Gemeinden, die nicht diesem Dachverband angehören (aus welchen Gründen auch immer), gelten diese Ausführungen nach wie vor.
Bis 1997 gab es für freikirchliche Gemeinden bzw Gemeindebünde keine Möglichkeit, sich in Österreich sich als Rechtspersönlichkeit zu konstituieren. Es gab zwar das Anerkennungsgesetz, aber dieses ließ der Behörde (dem Kultusamt, traditionell Teil des Unterrichtsministeriums, seit kurzem im Bundeskanzeramt angesiedelt) sehr viel Spielraum, und sie nutzte diesen durchwegs, um Anträge jahrelang zu verzögern und schließlich abzulehnen. Von Seiten der österreichischen Regierung, ganz egal, welche Partei gerade am Ruder war, gab es kein Interesse, weitere Glaubensgemeinschaften zuzulassen.
Auch das Vereinsrecht war keine wirkliche Alternative, weil es bis 2002 die Konstituierung von Glaubensgemeinschaften als Verein explizit ausschloß.
Als Behelfskonstruktion richteten sowohl freikirchliche Einzelgemeinden als auch Gemeindebünde sogenannte „Hilfsvereine” ein, welche dann Grundstücks- oder Gebäudeverwaltung bzw. Personalangelegenheiten wahrnahmen. Diese Hilfsvereine waren Parallelstrukturen zu den eigentlichen Gemeinden oder Bünden.
Bis 1997 gab es in Österreich lediglich 12 staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften, zumeist auf der Grundlage von Gesetzen aus 1867 und 1874, und wie schon erwähnt wurden alle Versuche von freikirchlichen Gruppen, ebenfalls die Anerkennung auf Grundlage dieser Gesetze zu erlangen, vom Kultusamt abgeblockt (obwohl andererseits 2003 die Koptische Kirche als Religionsgemeinschaft anerkannt wurde).
Diese Ungleichbehandlung führte zu zunehmendem Druck auf Österreich, und im Zuge der Bestrebungen, der Europäischen Union beizutreten, wurde als „Anerkennung Light” der Status der staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft geschaffen, den zunächst 6 evangelikale Freikirchen (BEG, Baptisten, Elaia, Freie Christengemeinden, Gemeinde Gottes, Mennoniten) sowie einige weitere weitere Gruppen erlangt haben.
Obwohl dieser Status einer Bekenntnisgemeinschaft Rechtspersönlichkeit gewährt, sind die Bekenntnisgemeinschaften in vieler Hinsicht nicht gleichgestellt mit den anerkannten Religionsgemeinschaften, und diese Tatsache stellt eine für jeden denkenden Menschen erkennbare, massive Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar. (Daß der österreichischen Verfassungsgerichtshof dies leugnet, läßt interessante Schlußfolgerungen über die Intelligenz oder Aufrichtigkeit der Verfassungsrichter oder die Unabhängigkeit dieses Gerichtshofes zu).
Theoretisch bietet das Gesetz von 1997 die Möglichkeit, zehn Jahre nach der Eintragung als religöse Bekenntnisgemeinschaft den Antrag auf Anerkennung zu stellen; diese Anträge wurden jedoch lange Zeit regelmäßig abgelehnt, insbesondere da eine weitere Hürde die in eben diesem Gesetz festgeschriebene Mitgliedermindestzahl von 2 von Tausend der Bevölkerung von keiner der Freikirchen oder anderen Anerkennungswerber erfüllt wird. Da jedoch sieben der 1997 bereits anerkannten Religionsgemeinschaften deutlich weniger Mitglieder haben, und auch die 2003 anerkannte Koptische Kirche nur rund ein Zehntel dieser Mitgliederzahl hat, wird dieses Anerkennungskriterium von zahlreichen Experten für willkürlich und unerlaubt diskriminierend gehalten.
Ende Juli 2008 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aufgrund einer Klage der Zeugen Jehovas fest, daß das österreichische Religionsrecht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt; als Folge dieses Urteils erhielten die Zeugen Jehovas am 7. Mai 2009 die staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Die übrigen nicht anerkannten Religionsgemeinschaften scheiterten weiter an der vorgeschriebenen Mindest-Mitgliederanzahl.
Nach mehr als zwei Jahren von Verhandlungen und Diskussionen, die durch Vertreter des „Weg der Versöhnung” angestoßen wurden, und an der neben Vertretern verschiedener Freikirchen auch Staatskirchenrechtler und Vertreter der Römisch-Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche beteiligt waren, haben sich Anfang 2013 fünf österreichische eingetragene Bekenntnisgemeinschaften (Bund Evangelikaler Gemeinden, Baptisten, Mennoniten, Freie Christengemeinden, Elaia Christengemeinden) zu einem Dachverband zusammengeschlossen (Freikirchen in Österreich), um gemeinsam einen parlamentarischen Initiativ-Antrag für ein Freikirchengesetz (analog zu solchen Gesetzen für andere Religionsgesellschaften) zu stellen; bevor es dazu kam, wurde vom Kultusamt signalisiert, daß der Dachverband genügend Mitglieder hat, um dem Gesetz über die Anerkennung von Religionsgesellschaften zu genügen, und daß daher eine Anerkennung auf dem Verordnungsweg möglich wäre; der Antrag auf Anerkennung wurde eingebracht, und die entsprechende Verordnung erging im August 2013.
Es ist ein Zeichen gelebter Ökumene, daß dieses Projekt sowohl von der Römisch-Katholischen Kirche als auch von der Evangelischen Kirche in Österreich unterstützt wurde, die beide vor nicht allzu langer Zeit Freikirchen noch als „Sekten” bezeichnet haben.
Es bleiben allerdings noch immer einige Wermutstropfen in der österreichischen Rechtsordnung:
- Einzelne, unabhängige Gemeinden haben noch immer keine Möglichkeit, Rechtspersönlichkeit zu erlangen;
- So sehr christliche Einheit biblisch gesehen wünschenswert ist, ist es wohl nicht Aufgage des säkularen Staates, diese quasi zu erzwingen, indem kleineren Gemeinschaften die Anerkennung verwehrt wird;
- Auch mit der Forderung (sowohl im Gesetz über die Bekenntnisgemeinschaften, als auch im Anerkennungsgesetz), daß sich eine Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft von allen anderen eingetragenen/anerkannten Gemeinschaften unterscheiden muß, also ein Alleinstellungsmerkmal haben muß, maßt sich der Staat eine Rolle an, die ihm nicht zusteht: über die simple Abwägung hinaus, ob sich eine Religionsgemeinschaft in ihren Lehren und Praktiken an die Verfassung hält, weitergehend über die Glaubensinhalte und damit über die Existenzberechtigung von Glaubensgemeinschaften zu urteilen — eine klare Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Kirche und Staat.
Natürlich soll die Kirche, die Gemeinde Jesu EINS sein, und die aktuelle Zersplitterung in viele verschiedene Gruppen, Bünde und Traditionen stellt nicht das Ideal dar, aber wir wollen eine Einheit, die der Heilige Geist bewirkt, nicht eine Einheit, die mehr oder weniger vom Staat verordnet oder erzwungen wird.