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… auch das ist Kirche!

Die rechtliche Situation der Freikirchen

Durch das österreichische Staatskirchenrecht, welches die Beziehungen zwischen dem österreichischen Staat und den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften regelt, hat es in Österreich lange Zeit eine religöse Zweiklassengesellschaft gegeben: Es wurde unterschieden zwischen anerkannten Kirchen[1]und Religionsgemeinschaften einerseits, die als Körperschaften öffentlichen Rechts Rechtspersönlichkeit und andere Privilegien genießen, und allen anderen andererseits, die im rechtsfreien Raum existierten. Zu diesen anderen zählten auch die Freikirchen. Sie hatten keine Möglichkeit, Rechtspersönlichkeit zu erlangen: die Kriterien für die staatliche Anerkennung waren unklar, und entsprechende Anträge wurden immer wieder abgelehnt. Die Konstituierung als Verein war Glaubensgemeinschaften ausdrücklich verboten.

Erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts kam es da zu Änderungen: 1998 wurde der Status der “staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft” geschaffen, mit klaren Kriterien für seine Erlangung, und 2002 wurde das Vereinsgesetz novelliert und das Verbot, Religionsgemeinschaften als Verein zu konstituieren, gestrichen, wodurch es im Effekt zu einer Dreiklassengesellschaft kam: Anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften, eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften, sowie alle anderen, als Verein oder informell organisierten Gemeinschaften.

Das ist im wesentlichen der heutige Status, wobei es 2013 nach massiven Anstrengungen von Seiten freikirchlicher Gemeindebünde (“Kirchen”) und mit Unterstützung von katholischen und evangelischen Kirchenführern für einen Teil der Freikirchen zu einer drastischen Verbesserung kam: ein Verband aus fünf freikirchlichen Gemeindebünden wurde unter dem Namen “Freikirchen in Österreich” (FKÖ) als Kirche staatlich anerkannt. Freikirchen außerhalb der FKÖ, sowohl Gemeindebünde als auch unabhängige Gemeinden, sind nach wie vor entweder als Bekenntnisgemeinschaften, als Vereine, oder rechtlich gar nicht organisiert.

Trotz diese Besserstellung der Mehrheit der Freikirchen gibt es aus meiner Sicht immer noch einige Wermutstropfen im österreichischen Staatskirchenrecht:

  • Freikirchen, die, aus welchem Grund auch immer, nicht Teil der FKÖ sind, sind immer noch “Bürger zweiter Klasse”;
  • Sowohl für die Eintragung als Bekenntnisgemeinschaft als auch für die Anerkennung als Kirche gelten Mitglieder-Mindestzahlen; im Fall der FKÖ hat dies zu einem beispiellosen Zusammenschluß unterschiedlicher Freikirchen geführt, und während christliche Einheit biblisch gesehen wünschenswert ist, ist es wohl nicht Aufgage des säkularen Staates, diese quasi zu erzwingen, indem kleineren Gemeinschaften die
    Anerkennung verwehrt wird;
  • Auch mit der Forderung (sowohl im Gesetz über die Bekenntnisgemeinschaften, als auch im Anerkennungsgesetz), daß sich eine Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft von allen anderen eingetragenen/anerkannten Gemeinschaften unterscheiden muß, also ein Alleinstellungsmerkmal haben muß, maßt sich der Staat eine Rolle zu, die ihm nicht zusteht: über die simple Abwägung
    hinaus, ob sich eine Religionsgemeinschaft in ihren Lehren und Praktiken
    an die Verfassung hält, weitergehend über die Glaubensinhalte
    und damit über die Existenzberechtigung von Glaubensgemeinschaften zu
    urteilen stellt eine klare Verletzung des Grundsatzes der Trennung von
    Kirche und Staat dar.

 


Fußnoten:
  1. Begriffserklärungen: Das “Anerkennungsgesetz” spricht von Religionsgesellschaften; ich unterscheide hier allerdings zwischen Kirchen, das sind christliche Religionsgesellschaften, und Religionsgemeinschaften das sind alle anderen, nicht-christlichen Religionsgesellschaften. Außerdem unterscheide ich zwischen Kirchen, die aus vielen Gemeinden bestehen, und Gemeinden, den Versammlung vor Ort, die entweder Teil einer Kirche oder unabhängig sein können. [zurück nach oben]